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It all. Indefinite article.1


Über Gregory Maass und Nayoungim

Clemens Krümmel

Wer sich mit der üppig proliferierenden und scheinbar so ziel- wie mühelos vorgehenden Kunstproduktion von Gregory Maass und Nayoungim2 beschäftigt, fast gleich, woher er oder sie kommt, gerät in ein abgründiges Spiel der Ambivalenzen. Bei Ambivalenzen denke ich hier nicht an die Künstlerpaaren immer wieder gestellte traditionalistische Frage, wer denn in diesem Produktionsgefüge genau für was zuständig sei.3 Für GM&N4 mag die Arbeit und das Auftreten als Produktionspaar keine primär konzeptuelle Entscheidung gewesen sein.5 Und noch viel weniger lassen sie es bei vordergründigen Uneindeutigkeiten wie derjenigen der Aufgabenverteilung bewenden. Denn diese durchziehen, so mein Eindruck, als Selbstwiderspruch, Stil- und Bildbruch, Unangemessenheit der Mittel oder schiere Zweideutigkeit strukturell alle ihre Auftritte, Äußerungen und Veröffentlichungen, und das in einem Ausmaß, das ich bislang selten angetroffen habe. Das beginnt mit dem Exzess desidentifikatorischer Selbstreferenz im schöpferischen Dialog mit der Institution „Kim Kim Gallery“ mitsamt C.I. und Werbeprodukten sowie der anscheinend an Martin Kippenberger anknüpfenden Manie der „tollen“ Werktitel oder Ausstellungstitel“.6 Die Titel setzen die gerade skizzierte Verschränkungslogik fort, wenn etwa Großspurigkeit durch Rechtschreibfehler zur Jämmerlichkeit wird („Survival of the Shitest“, 3bisF, Lieu d’arts contemporains, Aix-en-Provence 2009), populäre Truismen durch absurde Inversion verkalauert werden („The Early Worm Catches The Bird“, Space Hamilton, Seoul 2010), pseudopraktische Akronyme in der Auflösung zu Manager-Systemtheoriebrocken nur noch ominöser werden („POSWID – The Purpose of a System is What It Does“ – Platform at Kimusa, Seoul 2009). Hier geht es ganz offensichtlich nicht um eine ausgestellt willkürliche Gestaltung des Verhältnisses von Titel und Betiteltem, wie die Surrealisten selig sie einst propagierten, sondern, eher mit Kippenberger, um die Nutzung einer Werbefläche außerhalb des „Werkes selbst“, die die Betrachter/innen und Leser/innen wie dieses ebenfalls und zusätzlich in ein Amalgam milder Doublebinds verstricken soll.7

Sinnvollerweise lässt sich das Ambivalente an GM&N vielleicht am besten anhand dessen skizzieren, was sie ausstellen. Die meisten mir bekannten Arbeiten, so sie nicht bereits mit ihrer (De-)Platzierung eine unschuldige Umgebung mit Kunstbehauptungen überziehen, spielen auf irgendeine Weise an den Stellschrauben ihres eigenen semantischen Objektcharakters, so dass im Einzelwerk mit mehr oder weniger großer rhetorischer Deutlichkeit (mindestens) ein Widerspruch aufscheint. Das findet auf vielerlei Ebenen statt. Es gibt in vielen Arbeiten, die oft als Serien auf eine Ausstellung hin produziert werden, Widersprüche zwischen dem Bildwissen der Populärkultur und der Hochkunst-Kultur zu beobachten, wenn etwa SpongeBob SquarePants auf Minimal Art-Morpheme trifft oder Matchbox-Modellautos sich zu „mismatch“-Situationen mit ebenfalls industriell vorgefertigen Metallprofilleisten zusammengeklebt finden. Es gibt aber auch im Beiwerk der Arbeiten – in der Art der Betitelung, der Rahmung, der Präsentation, des Kommentars – Widersprüche in solchen Begriffen zu erahnen: also zum Beispiel in der Frage, ob die verwendete Art von Pop-Wissen im gerade gegebenen Ausstellungskontext eigentlich wirklich „pop“ oder nicht vielmehr arkan und/oder belastet mit Problemen kultureller Repräsentation ist. Dieses Spiel von Bedeutung und Bedeutungslosigkeit hat insofern nach Hunderten „High & Low“-Diskussionen noch immer einen recht hohen Einsatz, als sich der an diesen Diskussionen scheinbar beteiligte Kunstbetrieb immer wieder auf neue Formen des backlash zu einigen scheint, die kritische Standards (wie den der Anerkennung von Spezifik und Komplexität) deutlich unterbieten, weil es vielleicht in einem Markt zum Zwecke der Erhaltung systemischer Geschlossenheit und Illusionen wie permanenter Innovation und spiritualisierte „Genialität“ um deren kontinuierliches Versimpeln, Vergessen und Reinaugurieren geht.

Einen Raum mit Arbeiten von Gregory Maass und Nayoungim zu betreten – sei es in einer Einzel- oder einer Gruppenausstellung – vermittelt den Eindruck eines hitzigen Produktionsklimas, aber auch den einer Suche nach dem „Weiterkommen“ von Werk zu Werk. Im betrachtenden Nachvollzug lässt sich eine vage Spur verfolgen, ohne dass man allzu sehr dazu ermutigt würde; es scheint, als würden dem gerade Gesehenen immer neue Gegensätze zuerfunden und hinzugefügt. Zu den wichtigsten könnte der zwischen autonomer Skulptur und Readymade oder der zwischen Können und Wollen zählen, wenn industriell vorgefertigte Fundstücke mit mühevoll erlernten traditionellen Töpfertechniken zusammenkommen, so dass es manchmal scheinen kann, als habe man es bei den beiden Künstler/innen mit einer faux-surrealistischen Spielart der  Zitatenkultur zu tun. Wie die historischen Definitionen des Surrealismus vom „zufälligen Aufeinandertreffen“ kategorial widersprüchlicher Bildkomponenten sprachen und die in dieser unpersönlichen Formulierung behauptete Freiheit-aus-Willkür mit ihrer Exploration und Autorisierung des vermeintlich untergründigen Unbewussten legitimierten, fragt man sich auch bei GM&N danach, auf welche nächsthöhere Ebene ihre Synkretismen verweisen. Anders als skulptural synkretistisch Arbeitende Künstler/innen wie beispielsweise die New Yorkerin Rachel Harrison, die in einer surrealismusnahen Traditionslinie von Louise Nevelson steht und die innere Heterogenität der zusammengebrachten Elemente ihrer Skulpturen relativ wohltemperiert gestaltet, verweisen sie aber auf keine höhere Ebene, sondern eher auf eine „nächste“ Ebene, wo immer diese auch jeweils liegt.

Zu Recht hat man den Vertreter/innen der so genannten „Kontextkunst“ vorgeworfen, sie praktizierten letztlich einen forcierten Referenzialismus – wenn sie zum Beispiel nur slicke Präsentationsformen für überraschende, vorgängige Historisierungen oder Klassifizierungen Lügen strafende Anekdoten über den Modernismus zu schaffen schienen, ohne das spezifisch künstlerische „Eigene“ abzuliefern, das man von ihnen wollte. Doch war ihnen zumindest zugute zu halten, dass sie mit solchen Verfahren einfach zugleich auch aktiven Gebrauch von modernen Errungenschaften wie der künstlerischen Lizenz zum Anderswosein machten.  Festzuhalten ist in unserem Zusammenhang lediglich, dass sich bei GM&N äußere Referenzen – wie etwa scholastische Ergüsse zu einer kulturellen Kippfigur wie David Hasselhoff – als vor allem strukturspezifische Referenzen und weniger als regelrechte Referenzen im kunsthistorischen Sinne erweisen. Wenn über die Länge und Breite einer ganzen Ausstellung „the Hof“ (sic!; oder auch: doppeldeutige Anspielung auf die so genannte koreanische Institution der Bierkneipe) nach allen Regeln der Kunst zwischen Erhabenheit und Banalität, zwischen Kulturvalenz und Kulturleugnung hin und her gereicht wird, machen GM&N sich das geölt da liegende Instrumentarium der 1980er-Jahre-Ironie zu eigen, zumindest glaubt man sich zunächst in ein schulterklopfendes Szenario nerdhaften Mitwissertums um den polyvalenten und talentfreien Ausnahmestar verstrickt zu sehen.8 Aber dann wird klar, dass die beiden Künstler/innen (vermutlich beide!) Hasselhoff vor allem als neuralgischer Punkt im Feld der Globalkultur interessiert – skulpturwürdig wird er nicht aufgrund einer Herablassung aus der vermeintlichen Übersicht kultureller Kommentator/innen, die den Mann irgendwie putzig und damit auch irgendwie relevant für eine gegenwärtige Kultur der Putzigkeit finden, sondern aufgrund einer anderen Eignung, seiner exquisiten Leere bei gleichzeitig extrem gesteigerter Rhetorizität als populäre Figur, seiner verlässlichen Qualität als wandelnder mise-en-abyme-Effekt. Im Gegensatz zur Kontextkunst, die den zurzeit wohl geläufigsten Referenzierungsmodus hervorgebracht und kultiviert hat – abgesehen davon, dass die Referenzierten sowieso immer die Anderen sind –, findet bei GM&N fast nie einen straighten thematischen Bezug, ein Sichverlassen auf die unmissverständliche Aussagekraft des schon (anderswo) Gegebenen – jedenfalls nicht auf der so genannten inhaltlichen Ebene des Anekdotischen oder Faktenförmigen.

Mag man bei einzelnen Arbeiten noch den Eindruck haben, man könne nach und nach die formgebenden und -nehmenden inneren Widersprüche und Gegensätze herausfinden, so zeigt sich gerade im Weitergehen zur nächsten Arbeit für mich der wichtigere Moment.9 Es ist dieser ziemlich schwer zu beschreibende Moment, in dem man glaubt, etwas erkannt zu haben, einen der schroffen Allegoriehaufen oder eine der labil balancierten Figuren „verstanden“ zu haben. Der Moment, in dem man für sich die Minimalverschiebung vom Nichtverstehen zum Irgendetwasverstehen geleistet zu haben glaubt (was sich bei mir immer wieder als Irrglaube erwiesen hat), und in dem man sich dabei ertappt, mit der leicht stupiden Mentalität eines Kreuzworträtsellösers fest damit zu rechnen, dass sich mit ein bisschen Geduld auch die nächste Situation der Unklarheit in ähnlicher Weise wird auflösen lassen. Natürlich ist das der Moment der größten Ignoranz.10 Es ist der Augenblick des routinemäßigen Selbstbetrugs, in dem die meisten (und so auch ich) sich vielleicht auch in anderen, kunstferneren Situationen von Halbwissen zu Halbwissen hangeln, in einem global warming des Verstehens von Eisscholle zu Eisscholle hüpfen. Weil GM&N uns eine solch große Bandbreite aufeinander verweisender, zu Objekten gemachter Widerspruchskonglomerate geben, gibt es die Chance, sich der eigenen Kultur des „Gar-nicht-so-genau-wissen-Wollens“ bewusst zu werden. Mehr noch als eine Art epistemologischer Fitnessparcours, der schon wieder der Belehrung, der Aufklärung, der Verbesserung der eigenen Adaptionsfähigkeit dienen sollte, kann man bei dieser Kunst die (Betrachter/innen-)Kunst des Ambivalenzen-Surfens erlernen. Surfen als Bewegung, die alle Funktionszusammenhänge des Surfenden aktiviert, ohne dass es um ein anderes Ziel ginge als das möglichst irgendwie balancierte Obenbleiben in einer als elementar erfahrenen Kontingenzproduktion.
 
Eine GM&N-Arbeit wie XXX – eine Schwindel erregend buchstäbliche Übererfüllung des steinalten Postulats von der „Subversion der Zeichen“,11 da öffentlich in einem koreanischen Kontext die großformatige Neonausführung des traditionellen Zeichens für Bäder, bei der eigentlich einträchtig gekräuselt Dampfschwaden-Elemente aus einem Schalensignet emporsteigen sollen, umgekippt wird, so dass nunmehr das Bad und das Zeichen als Kind mit diesem Bad ausgeschüttet wird – zeigt allerdings, dass Anspielungen auf vor allem populäre und vernakuläre Formen des Wissens durchaus eine wichtige Rolle spielen. Die Infragestellung des Werts solcher Wissensformen ist konstitutiver Bestandteil popkultureller Aushandlungsprozesse, die auch heute noch zwischen den Agenten unterschiedlicher Zünfte stattfinden. Das „coole Wissen“, einer der am wenigsten hinterfragten, doch zentralsten Posten im Zusammenhang heutiger Kulturproduktionen, liefert den wahren Treibstoff noch der kaustischsten Minimalismen und der protestantischsten Konzeptualismen. Dies ebenso wie den rapiden Wertverfall von Wissenspartikeln unter Bedingungen des Internet erkannt zu haben und in eine immer weiter stolpernde Produktion postindustrieller Conversation pieces überführt zu haben, ist das nicht geringe Verdienst von GM&N. Sie wissen, dass das Herauslassen „cooler“ Hintergrundinformationen – das sich als höflicher Fachkommentar, als präpotentes Geschwätz, als Kunstgossip oder als haltlose Spekulation zeigen kann – jede Rezeption der eigenen Werke rulet, vor allem dann, wenn es sich um die ambivalenten Schwundstufen des Schwer- und Schwerstskulpturalen handelt.12

Stärker wirken zurzeit noch die Kommentare von Fachpersonal, das seinerseits über eigene Jagdgründe des Wissens verfügt. Es sind also  bei weitem nicht nur bildende Künstler/innen, die an der Infusionsnadel des coolen Wissens hängen, es sind auch die Kritiker/innen und Kurator/innen. Das jedenfalls scheint (neben naheliegenden Sprachproblemen) einer der Gründe zu sein, warum mir das Sprechen mit GM&N über ihre Arbeiten mitunter schwerfällt.13 Wenn eine meiner Kritikerkolleginnen Recht neulich beim Mittagessen Recht hatte, dann hält gerade ein mehr oder weniger unterschwelliger Ton des Zänkischen Einzug in das schon praktisch seit Anfang vergiftete Verhältnis zwischen Künstler/innen, Kritiker/innen und Kurator/innen. Kollegin, naja. Sie ist inzwischen veritable Kulturwissenschaftlerin mit einem zeitlich befristeten Vertrag an einer Universität, zur Kritik kommt sie da nach eigener Aussage nur noch gelegentlich. Und ich – bin ein Teilnehmer in der Kritik und im Kuratieren, der zwar angelegentlich für freundlich scheinende Projekte und Zeitschriften schreibt, aber immer mehr Schwierigkeiten hat, seine Entfremdung vom Kritiker/Kuratorendasein zu verbergen. Warum der Zank, wo man vorher maximal von einer Konkurrenz ausgehen durfte? Und warum bleibt er unterschwellig? Die Antwort ist relativ schlicht und scheint mir doch hier ein gutes Stichwort zu geben, wenn ich hier versuche, einer avancierten Produktionsrationalität wie der von GM&N näher auf die Spur zu kommen.

Die Antwort, die für den Betrieb von GM&N relevant ist, hat mit dem Verschwimmen der arts & métiers der beiden Berufsgruppen zu tun. Zwar wird zurzeit vor allem in der westlichen Welt, aber via internationalem Kunst- und Biennalen-Betrieb auch über dieses enge Geviert hinaus, über bildungspolitische Richtlinien versucht, Künstler/innen als die anderen, zuzeiten womöglich besseren Forscher/innen zu proklamieren – indem man einen vorher vielleicht unterreflektierten Bestandteil künstlerischer Arbeit, die Recherche und/oder Forschung nunmehr als “artistic research” hypostasiert und monokulturell isoliert. Das kann per definitionem zwar zu Wissen, kaum jedoch zu „coolem“ Wissen führen. Es bedarf keiner bösen Absicht zu unterstellen, dass es sich hier kurz gesagt um eine tausendfach wiederholte Vorspiegelung falscher Tatsachen handelt, die inzwischen über Hochschulgesetze installiert und weithin verallgemeinert, durchfinanziert und durchgesetzt ist. Für uns interessant an diesem fernen Geplänkel ist vielleicht noch die Interpretation meiner ko-entfremdeten Kritikerkollegin, nach der diese kulturpolitisch vorgegebene und von Tausenden von Künstlern auch willig übernommene Überbetonung des “Forschens” zum einen der Pazifizierung der marktinternen, kulturpessimistischen Unkenrufe über einen “Mangel an Kriterien” im künstlerischen Produktivfeld dient, weil “Forschen” immer auch handfeste “Ergebnisse” suggeriert. Zum anderen wird Kunst dadurch in gewisser Weise, auch nach dem von Rosalind Krauss vor langer Zeit diagnostizierten „de-skilling” in den Künsten wieder “re-skillbar” und vor allem mit einem Vorher-Nachher, “endlich” “wieder” mit einer Quantifizierbarkeit ausgestattet.

Wir kennen die erste Welle einer solchen “artistic research art”, die sich idiomatischer Diskurse des in den 1990er Jahren schwelenden Streits zwischen “Kontextkunst” und “Dienstleistungskunst” bedient und, oft in Nähe zu Akademien, Biennalen und anderen Interessengruppen, bestimmte ästhetische Trivialerwartungen an einer Jumellage von Kunst und Forschung bedient: Der Aktenschrank mit den Materialien zu den über hundert Künstlern der Ausstellung, der sich im Laufe der Ausstellung weiter füllen soll (und sich im Falle einer Ausstellung wie Hans Ulrich Obrists und Barbara Vanderlindens “Laboratorium” (1999) als weitgehend leer, aber irgendwie beeindruckend herausstellt). Der Bücherschrank mit den Referenzen auf alles, was an Theoriebaustellen gut und teuer ist: Die Nomenklatur der Foucaultdeleuzeguattaribataillearendtagambenrancièrežižeklatour. Die Möblierung mit Arbeitstischen, Videokojen, Fotokopierern, Internetplätzen als administrative Ästhetik der Institutionskritik mit unbegrenzten Zeitansprüchen an die koproduzierenden Rezipienten.

Man könnte das abtun als nahezu notwendiges Tribut an die Vermassungstendenz in allen Sektoren des Kunstfeldes, als unvermeidliche Folge des gesteigerten Konkurrenzdrucks in immateriellen Ökonomien. Jedenfalls erzeugt es eine zänkische Stimmung auch zwischen Kritiker/innen, Kurator/innen und Künstler/innen, weil sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass man das gleiche Feld der Recherche beackert. Neben der offensichtlichen (und doch so unklaren) Tätigkeitbeschreibung des Kritisierens haben sie (zu denen ich mich irgendwie doch noch zähle) eine zweifache Forscheraufgabe: indem sie als Entdecker/innen nach neuen (oder unbekannten) Künstler/innen oder künstlerischen Themen suchen, und indem sie gewissermaßen als Meta-Entdecker/innen herausfinden und aufarbeiten, was die Künstler/innen entdeckt haben. Neben (oder nach) dem Gut-oder-schlecht-Finden entwickelten sie sich also unter dem Druck riesiger Informationskonkurrenzen oftmals zu Meta-Künstler/innen, Künstler/innen dagegen zu informellen Kritiker-Trüffelschweinen in den gleichen Wäldern. Sehr wohlfeil wäre es hier, beiden Seiten einen ökonomischen Opportunismus zu unterstellen.

GM&Ns Werke, Interventionen und sonstigen Aktivitäten sind nicht dazu angetan, solche schwelenden Konflikte zu besänftigen. Im Unterschied zur Mehrzahl ihrer Kolleg/innen sind sie jedoch schon seit langem dabei, auf der Grundlage der Erkenntnis dieser Vermischung der Zünfte eine Arbeit systematisch mit visuellen und sprachlichen Rhetoriken zu sättigen, ohne dass irgendjemand auf die Idee käme, dies mit dem Begriff „research“ zu belegen. Das heißt wohlgemerkt nicht, dass ihnen hier doch nur wieder das bloß spezifische Instinkthaft-Künstlerische zugebilligt oder die von so vielen Anderen betriebene Besetzung kunstbetrieblicher Restflächen unterstellt werden soll. Vielmehr muss man GM&N attestieren, dass die ”Kunst mit großem K“, die sie in immer neuen rhetorischen Volten durchaus ohne große Camouflage herstellen, nicht mit einer einzigen Sorte Ironie zu umschreiben ist, dass sie prätentiöse Selbstreflexivität nicht nur betreibt, sondern vor allem ausstellt, im klaren Bewusstsein aller Risiken und Fallen.

 

1 Vgl. www.harpomarx.net/talking.html.

2 Im Folgenden abgekürzt als „GM&N“.

3 Wer so fragt, will meist nicht nur wissen, wie es um die „Rollenverteilung“ steht, oder wie die Machtfrage geklärt oder ungeklärt ist. Vielleicht sind ihm ja Werke mit mehr als einer Person immer leicht suspekt gewesen, denn trotz dekonstruktiver Debatten steht das Bild der unitären Autorschaft noch immer hoch im Kurs, vor allem, wenn es ans  Taxieren, Bezahlen und Wertschöpfen geht. Aber auch, wenn aufgrund der Abdankung technischer Bravourleistung als Argument in den letzten Jahrzehnten die Generierung künstlerischer Ideen über das Individuum (und dessen Brüche, Ausfälle und Bewusstseinslücken) authentifiziert werden soll, geht es nicht nur um Fragen des Urheberrechts, sondern immer noch um Spekulationen über „Genie“ als psychische Kompetenz, die im Rahmen wechselseitiger Inspiration unscharf bleibt. Doppelte oder multiple Autorschaft kann manchmal nur über die moderne Kitschformel der ”Verschmelzung“ des Gegensatzes von Kunst und Leben oder dieser und jener Kultur wieder eingebaut werden, wenn nicht als neoliberale Formel wechselseitigen In-sourcings. Produktionspaaren haftet also auf mehreren Ebenen immer schon etwas schwer Fassbares an, das sich in Erzeugnissen nur schwer erfahren lässt. Schon hier tritt im Falle von Maass/Nayoungim eine Art Gesetz des immer abwesenden Zweiten in Kraft.

4 Schon hier möchte ich für das Firmenlogohafte dieser Abkürzung um Verständnis werben.

5 Es ist mir im Laufe der Zeit zur Gewohnheit geworden, mir bei den nichtssagenden Blicken von GM&N, die mich regelmäßig als einzige Antwort auf solche und ähnliche, in Kunstkritiker/innenkreisen beliebte Ideologiefragen erreichten, dann auch nichts weiter zu denken. Ich dachte dann, es hätte etwas mit einer lokalen Eigenheit zu tun, auch nur ansatzweise heikle oder schwer zu beantwortende Fragen komplett zu ignorieren, im besten Fall allerdings so, dass der dumm Fragende das ihm zugedachte Schweigen als eine Art gesellschaftlich sanktioniertes mystisches Schweigen versteht, das man in stiller Reverenz zur profanen oder heiligen Stelle des Unsagbaren ernannt hat. Vgl. Anm. 1.

6 Vgl. Martin Kippenberger, 241 Bildtitel zum Ausleihen für andere Künstler, Köln : ders., Wie es wirklich war. Am Beispiel. Lyrik und Prosa, hg. von Diedrich Diederichsen, Frankfurt/Main 2007, S. XX.

7 Milde sind diese, weil sie meistens in die aufblasbaren Puffer des Kunstbetriebs eingespannt bleiben – dessen psychologische Zumutungen insgesamt nicht mehr jeweils neu reflektiert werden müssen. – Darüber hinaus lassen sich die Titel mit ihrer oft konkurrenziellen Metaphorik allerdings auch als schlichtere Unlustsignale angesichts rigider Exklusionsmechanismen eben dieses internationalen Kunstbetriebs lesen, in den man irgendwie rein will, aber irgendwie auch wieder nicht.

8 Nun ist ja Ironie auch nicht unbedingt mehr der heißeste Scheiß. Vgl. Clemens Krümmel/Isabelle Graw, „So ist das nun mal. Zur Ausstellung der Grässlin Collection in den Hamburger Deichtorhallen“, in: Texte zur Kunst, Bd. 3, 2002, S. 189–192.

9 Wichtigere, nicht: entscheidende.

10 Vergleichbar der des New Yorker Kritikers Jerry Saltz, der angesichts der (hier gar nicht so sachfremden) Werke des Künstlers John Miller in der Village Voice von einer „I-don’t-get-it-Ästhetik“ sprach – weil er sie nicht verstand, diesem Nichtverstehen aber im kunstkritischen System Geltung verschaffen wollte.

11 Vgl. „Just do it! Die Subversion der Zeichen von Marcel Duchamp bis Prada Meinhof“, kuratiert von Thomas Edlinger, Raimar Stange, Florian Waldvogel, Lentos Kunstmuseum, Linz 2005.

12 http://vimeo.com/11834661

13 In ihrer Abwesenheit fällt es mir glücklicherweise umso leichter. – Vieles spricht dafür, die Phänomenologie des Coolen auch als eine Symptomatologie, wenn nicht Pathologie zu verstehen.